Biodiversität

Das tun die Schweizer Bauern für die Artenvielfalt

Unter Biodiversität versteht man die Vielfalt der Lebensräume, der Arten und der Gene. Die Landwirtschaft beeinflusst die Biodiversität sowohl positiv wie negativ. Sie ist gleichzeitig aber auch eine Profiteurin: Die Bauernfamilien sind auf eine grosse Biodiversität angewiesen, damit sie gegen Schädlinge, Krankheiten, Naturkatastrophen und den Klimawandel gewappnet sind und auch in Zukunft weiterhin Lebensmittel produzieren können.Ohne Landwirtschaft wäre die ganze Schweiz ein grosses Waldgebiet. Das wäre zwar naturnah, aber kein Gewinn für die Biodiversität. Alle die Pflanzen und Tiere, die nicht im Wald, im Hochgebirge oder im Wasser zu Hause sind, hätten bei uns gar keinen Lebensraum. Die Landwirtschaft fördert die Biodiversität also schon deshalb, weil sie Flächen offen hält und eine Vielfalt an Nutztierrassen hält und Pflanzensorten kultiviert. Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft und der starken Bautätigkeit im ganzen Land litt die Biodiversität. Die Felder in diesem durchaus gewünschten Prozess wurden grösser, die Sortenvielfalt schrumpfte, schlagkräftige Landmaschinen übernahmen die meiste Arbeit. Gefragt war das Maximum aus den bestehenden Ressourcen herauszuholen und nicht deren nachhaltige Nutzung. Eine Landwirtschaft, wie sie heute noch an den meisten Orten der Welt die Norm ist.

Umdenken in den 90er Jahren für mehr Ökologie

In der Schweiz reifte die Erkenntnis, dass Landwirtschaft mehr bieten sollte, als nur möglichst billige Lebensmittel produzieren ohne Rücksicht auf Verluste. Mit den Reformen in der Agrarpolitik begann das Umdenken: Der Bund entschädigt seither die Bauernfamilien mit den Direktzahlungen für solche, nicht marktfähige Leistungen. Damit ein Hof überhaupt öffentliche Gelder erhält, muss er den sogenannten ökologischen Leistungsnachweis erfüllen. Dazu gehört unter anderem, dass er statt Monokulturen eine vielfältige Fruchtfolge einhält und vor allem sieben Prozent seiner Fläche zur Förderung der Biodiversität bereitstellt. Das können extensive Wiesen, Buntbrachen, Ackersäume, Hochstammbäume, Hecken oder Asthäufen sein (eine Übersicht über alle Typen findet man hier). Aktuell haben wir in der Schweiz über 190‘000 ha solche Biodiversitätsförderflächen. Das entspricht fast der vierfachen Fläche des Bodensees und 19 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Damit übertrifft die Landwirtschaft eines der Etappenziele klar, das der Bund im Rahmen der Agrarpolitik für sie gesetzt hat.

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Blühstreifen für Bestäuber fördern die Artenvielfalt

Immer mehr Biodiversitätsförderflächen

Ebenfalls sind 81 Prozent der Biodiversitätsförderflächen – und damit weit mehr als die geforderten 50 Prozent – miteinander vernetzt. Das Ziel, bei 40 Prozent dieser Flächen auch eine besonders hohe Qualität zu erreichen, ist aktuell mit 44 Prozent ebenfalls erreicht.  (Fokus Zusatzheft Biodiversität). Potential besteht hier bei der Zusammensetzung der extensiven Wiesen und bei ausreichend wertvollen, strukturreichen Flächen von hoher Vielfalt in Ackerbaugebieten. Generell kann man sagen, dass die Flächenziele erreicht sind. Potential gibt es aber vor allem im Ackerbaugebiet in Bezug auf eine bessere ökologische Qualität und der Vernetzung der ausgeschiedenen Flächen zur Biodiversitätsförderung. Verschiedene Programme wie die biologische Produktion oder private Labels wie IP Suisse oder Demeter beinhalten noch höhere Leistungen zugunsten der Biodiversität. Die Bauern können dort aus einer Reihe Zusatzleistungen auswählen und damit eine Mindestpunktezahl erreichen. Damit haben es die Konsumenten in der Hand mit dem Kauf der entsprechenden Produkte, die Biodiversität in der Schweizer Landwirtschaft zusätzlich zu fördern.

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Insektensterben betrifft auch die Landwirtschaft

Ein Problem, das auch die Landwirtschaft stark beschäftigt, ist das Insektensterben. Damit hängt auch der Rückgang der Vogelvielfalt zusammen, deren Ernährung hauptsächlich aus Insekten besteht. Als Ursache werden oft die in der Landwirtschaft verwendeten Pflanzenschutzmittel genannt. Doch die Bauernfamilien setzen heute viel weniger, viel gezielter und vor allem viel weniger umweltschädliche Mittel ein, als vor 30 Jahren. Es muss für das Insektensterben folglich (auch) andere Gründe geben. Die Landwirtschaft ist auch auf die Insekten als Bestäuber angewiesen. Ohne deren fleissiges Wirken gibt es bei vielen Kulturen überhaupt keine Ernte mehr. 

Entsprechend ist es in ihrem ureigenen Interesse, dem Insektenschwund entgegenzuwirken. Der Schweizer Bauernverband unterstützte aktiv die von den Naturfreunde Schweiz Petition „Insektensterben aufklären“, die Ende 2018 mit weit über 100‘000 Unterschriften übergeben wurde. Der Bund soll zusammen mit der Wissenschaft die Gründe für das Insektensterben klären und darauf aufbauend wirksame Gegenmassnahmen lancieren. Mit der Umsetzung des Aktionsplans Pflanzenschutz ist die Landwirtschaft schon daran, den Pflanzenschutz in Bezug auf negative Umweltnebenwirkungen zu optimieren.

Schädlich für die Biodiversität sind auch starke Bautätigkeit und die wachsenden Betonflächen in der Schweiz. Es ist deshalb richtig, dass der Bund zurzeit einen nationalen Aktionsplan Biodiversität erarbeitet, der alle Bereiche miteinbezieht. Die Landwirtschaft wird bei der Umsetzung Hand bieten, denn sie ist auf eine reiche Biodiversität für die nachhaltige Produktion ihrer Lebensmittel angewiesen.

Plattform Bienenzukunft für mehr Biodiversität

Bienen sind ein wichtiger Bestandteil für die Biodiversität und für die Wirtschaft. Das Bienensterben ist ein heikles Thema, welches häufig mediatisiert wird. Pflanzenschutzmittel, Stress sowie Nahrungsmittelmangel spielen eine Rolle beim auftreten von Krankheiten bei den Bienen. Zurzeit ist ihre Zukunft nicht gesichert, weshalb die Plattform Bienenzukunft gegründet wurde. Ziel ist, es verschiedene Akteure aus der Praxis zusammenzuführen und konkrete Lösungsansätze zu erarbeiten, um die Vielfalt, die Gesundheit und den Lebensraum von Bienen zu sichern.

 

Vögel in der Kulturlandschaft 

Hochstammobstgärten liefern nicht nur den Rohstoff für Apfelsaft und verschönern die Landschaft, sie sind zudem Lebensraum für zahlreiche Vögel wie den Distelfink oder den selten gewordenen Wiedehopf. Die Bauernhöfe mit ihren Gebäuden, aber auch die Vernetzung der Kulturlandschaft mit Buntbrachen, Blumenwiesen, Säumen entlang von Ackerland, Hecken oder eben Obstbäumen, bieten den einheimischen Vögeln Heim und Nahrung. Sogar mitten in den Getreidefeldern findet die Feldlerche einen Platz zum Brüten, wenn Landwirte spezielle Lerchenpatches schaffen. Vier Bauernfamilien erzählen, was sie auf ihrem Betrieb tun, um gezielt Lebensräume für Vögel zu schaffen.

Beispiele wie die Landwirtschaft die Biodiversität fördert:

Extensive Wiesen dürfen erst im Sommer zu klar definierten Schnittzeitpunkten gemäht werden. Damit wird das Versamen der Pflanzen ermöglicht und der tierische Nachwuchs nicht gestört. In extensiv bewirtschafteten, nährstoffarmen Wiesen können 40 bis 70 seltene und teilweise bedrohte Arten vorkommen. Charakteristisch sind Gräser und Blütenpflanzen wie Aufrechten Trespe, Esparsette, Skabiosen-Flockenblume, Kleine Bibernelle, Wiesensalbei oder Orchideen. Diese Wiesen beherbergen eine grosse Vielfalt an Insekten und Spinnen, aber sie sind auch Lebensraum für Frösche, Eidechsen und Blindschleichen. Zudem werden sie von bodenbrütenden Vögeln, Rehen, Hasen und anderen kleinen Säugetieren benutzt.

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Buntbrachen sind mehrjährige, mit einheimischen Wildkräutern angesäte Flächen auf Ackerflächen oder nach einer Dauerkultur. Ihre Blüten verschönert das Landschaftsbild von Frühling bis Herbst. Se dienen Nahrungsquelle und Rückzugsort für viele Tiere. Im Herbst dienen sie manchen Tierarten im Talgebiet als Überwinterungsort und Umsiedelungswege. Während dem ganzen Jahr beherbergen sie eine Vielzahl von Tieren; darunter Nützlinge wie Schwebefliegen, Marienkäfer, Laufkäfer oder Spinnen.

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Ackerschonstreifen sind mit Ackerkulturen angesäte oder angepflanzte Randstreifen die extensiv bewirtschaftet werden (ohne Düngung und Pflanzenschutzmittel). Sie sind Teil der Hauptkultur und werden gleichzeitig geerntet. Wenn es sich um mehrjährige Streifen handelt, spricht man von Ackersäumen. Beide dienen als Nahrungsquelle und Rückzugsort für viele Tiere. Zudem sind sie als lineare Element wichtig für die Vernetzung der natürlichen Lebensräume.

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Hecken, Feld- und Ufergehölze strukturieren die Landschaft und vereinfachen als Korridor oder Biotopverbindung die Mobilität der Arten. Hecken sind aus verschiedenen einheimischen dornen- oder früchtetragenden Stäuchern, alten hohlen Bäumen und Totholz zusammengesetzt und bieten vielen Tieren Nahrung und Unterschlupf. Als Schattenspender für Weidetiere sowie Wind- und Erosionsschutz sind sie auch von grosser Bedeutung für die Landwirtschaft.

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Obstanlagen mit Hochstamm-Feldobstbäumen verschönern das Landschaftsbild und verleihen ihm eine Identität. Grosse Obstgärten kombiniert mit anderen halb-natürlichen Lebensräumen in der Nähe (andere Obstgärten, Hecken, extensive Weiden, ...) sind von grossem ökologischem Wert. Sie bieten verschiedene Lebensräume für Tiere wie Vögel, Fledermäuse und Insekten.

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Weitergehende Massnahmen im Rahmen von Labelprogrammen (Auswahl):

  • Verwendung alten Sorten bei Obst, Gemüse, Getreide oder auch Nutztieren (Pro Specia Rara)
  • Strukturierte Kleinflächen im Ackerbau
  • Breitere Reihen im Getreideanbau
  • Untersaaten oder Mischkulturen im Mais und Getreideanbau
  • Gründüngungen statt dem stehenlassen von leergeräumten Ackerflächen
  • Einsatz von Balkenmähern, Mähern ohne rotierendes Mähgerät, Verzicht auf Mähaufbereitung (verbessert die Chancen für Insekten und Kleintieren)
  • Verzicht auf Silage (Das längere Liegenbleiben des Schnittguts für Insekten und Kleintieren Zeit sich in Sicherheit zu bringen)
  • Krautsäume an Bachläufen
  • Gestaffelter Schnitt der Wiesen
  • Gestufter Waldrand
  • Verzicht auf Pflanzenschutzmittel

Auch Sie können die Biodiversität fördern und unterstützen!

Jede und jeder kann zur Förderung der Biodiversität beitragen! Ob Sie auf dem Land oder in der Stadt wohnen - Wildblumen für Bienen und andere Insekten können Sie auch auf dem Balkon oder im Garten ansäen. Geeignete Mischungen finden Sie in Gärtnereien, Gartencentern, Landis und den Grossverteilern.

Biodiversität fördern mit und ohne Garten und Balkon

Bewirtschaften Sie Ihren Garten naturnah
Fördern Sie die Biodiversität auch ohne Balkon und Garten
Kaufen Sie saisonale Nahrungsmittel aus der Schweiz und unterstützen so die hiesige Biodiversitätsförderung
Kaufen Sie Most aus Hochstammäpfeln
Legen Sie im Garten einen Teich, einen Ast- oder Steinhaufen an, um Insekten, Reptilien und Amphibien, sowie Säugetieren wie dem Igel, Lebensraum und Nahrung zu bieten
Pflanzen Sie eine seltene Obstsorte
Bekämpfen Sie invasive Neophyten wie Goldrute, Kirschlorbeer, Thuja oder den japanischen Staudenknöterich - sie breiten sich unter unseren klimatischen Bedingungen teilweise ungebremst aus und unterdrücken heimische Arten
Stellen Sie ein Insektenhotel auf
Lassen Sie beim Rasenmähen einen «Rückzugsstreifen» stehen, in den sich Insekten zurückziehen können
"Räumen" Sie nicht zu viel auf: verblühte Blüten, verholzte Pflanzenteile und sich zersetzende Blätter bieten Nahrung und Lebensraum für viele Insekten
Kaufen Sie Bio- und andere Labelprodukte, da ihre Produktion mit höheren Auflagen im Bereich Biodiversität verbunden ist
Hängen Sie ein Vogelhäuschen auf
Verzichten Sie auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel
Schaffen Sie Wasserstellen für Vögel und Insekten oder Sandbäder für Vögel
Lassen Sie über Nacht kein Licht brennen (z. B. über der Haustür): Die zunehmende Lichtverschmutzung führt bei verschiedenen Tierarten zu Veränderungen im Hormonspiegel, bei den Fortpflanzungszyklen und Aktivitätsmustern
Säen und pflanzen Sie einheimische Pflanzen
Spenden Sie Geld und/oder werden Sie Mitglied bei einem Verein, der sich für Artenschutz einsetzt
Machen Sie einen Kurs: zum Beispiel, wie Sie Bienen unterstützen können (Dachverband der Schweizerischen Bienenzuchtvereine Apisuisse)

Weitere Informationen:

Übersicht über die verschiedenen Typen von Biodiversitätsförderflächen in der Landwirtschaft:
http://www.bff-spb.ch/de/biodiversitaetsfoerderflaechen/

Übersicht über die Direktzahlungen für Biodiversitätsförderflächen und deren Entwicklung:
https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/instrumente/direktzahlungen/biodiversitaetsbeitraege.html

Biodiversität und Landwirtschaft generell:
https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/nachhaltige-produktion/umwelt/biodiversitaet-und-landschaft.html

Artikelserie zum UNO-Jahr der Biodiversität:
https://naturwissenschaften.ch/service/series/27719-biodiversitaet-und-landwirtschaft

Biodiversitätsmassnahmen der Bio-Suisse: https://www.bio-diversitaet.ch/de/glossary

Leitfaden für die Anwendung des Punktesystems Biodiversität der IP-Suisse:
http://web87.login-162.hoststar.ch/wp-content/uploads/Leitfaden-Biodiversitaet-Januar-2015-D.pdf

Minifaltflyer Biodiversität
https://shop.landwirtschaft.ch/de/broschueren-buecher/biodiversitaet.html 

Wie sich die Familie Berweger aus Effretikon für den Artenschutz einsetzt